Meinungsrede anhand eines Beispiels

 

 

Besonders bei der Meinungsrede ist es wichtig, die Situation zu beachten. Hier ist einerseits der Rahmen der Rede festgehalten wie beispielsweise die Eröffnung einer Fotoausstellung oder eine Podiumsdiskussion. Andererseits ist hier auch das Plenum bekannt. Sind es Mitschüler/innen, wirst du sie duzen, sind auch Professor/innen anwesend, wirst du diese siezen, deine Schulkamerad/innen aber duzen. Sind nur fremde Personen im Saal, wirst du sie hoffentlich siezen.

 

 

Thema: Berufsleben

 

Verfassen Sie eine Meinungsrede.

 

Situation: An Ihrem Schulstandort gibt es eine Fotoausstellung zur Geschichte der Arbeit. Als Schulsprecher/in sollen Sie zum Thema „Work-Life-Balance und Folgen der Nichtbeachtung“ vor eingeladenen Arbeitgeber/innen, Lehrkräften und Schüler/innen eine Rede halten.

 

Lesen Sie zunächst den Bericht „Brauchen wir ein Recht, nicht erreichbar zu sein“ von Johannes Lau, der am 24. Februar 2025 in der Onlineausgabe der Tageszeitung „Der Standard“ erschienen ist.

 

Schreiben Sie nun eine Meinungsrede und bearbeiten Sie folgende Arbeitsaufträge:

Ø  Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen Frankreich und Österreichs Ruhegesetzen.

Ø  Diskutieren Sie nun die Nachteile ständiger Erreichbarkeit im Berufsleben.

Ø  Nehmen Sie zu den Folgen kritisch Stellung.  

 

Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. Markieren Sie Absätze mittels Leerzeilen.

 

Wie gehst du nun am besten vor?

 

Sehr geehrter Unternehmer/innen, geschätzte Professor/innen, liebe Mitschüler/innen!

1.     Begrüße immer nach dem Rang. Wir können nun streiten, ob Unternehmer/innen einen höheren Rang als Professor/innen haben, aber sie sind die „Ehrengäste“, mit denen man beginnt.

Ich heiße Nino Neuwirth und Sie und euch herzlich willkommen zu meiner Rede über die Folgen der ständigen Erreichbarkeit im Berufsleben. Wir alle kennen es: Man sitzt gemütlich und frei von Gedanken an die Arbeit im Kreise der Familie zusammen oder liegt auf der Couch, um die neueste Episode der Netflix-Lieblingsserie zu genießen. Plötzlich vibriert das Handy, weil ein E-Mail hereinflattert oder noch schlimmer, die Arbeit ruft an, weil es höchstwahrscheinlich ein Problem gibt. Ist das nicht zum Weinen? Ist das nicht zum Aus-der-Haut-Fahren?

2.     Die Rede habe ich mit „Ich heiße XY und Sie herzlich willkommen“ begonnen. Das ist ein Ausspruch von Heinz Erhardt, einem Komiker früher Zeit. Du wirst ihn nicht mehr kennen, aber dein/e Deutschprofessor/in. So wirst du ihm/ihr ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern. Danach schaust du, dass du alle ins Boot holst, indem du eine Situation, ein Beispiel anführst und das Thema der Rede nennst.

Obwohl es in Österreich Ruhegesetze gibt, die besagen, dass Arbeitnehmer/innen nachts eine Ruhephase von elf Stunden geben werden müsse, am Wochenende sogar 36 Stunden, gibt es keine Regelung zu E-Mails oder Anrufen. Gerade in Zeiten des Homeoffice eine Farce, oder nicht? Denn in Frankreich ist bereits 2016 ein Gesetz erlassen worden, das Arbeitgeber/innen vorschreibt, Maßnahmen zu einzurichten, die sicherstellen, dass Arbeiter/innen und Angestellte in ihrer Freizeit nicht kontaktiert werden dürfen.

3.     Auch schon bei Operator 1 darfst du persönlich färben. Das machst du am besten mit Hyperbeln oder einer rhetorischen Frage. Gib aber den Inhalt richtig wieder. Du darfst aber deine Gedanken dazu anführen.

Liebe anwesende Arbeitgeber/innen, Sie denken sich vielleicht, dass das nicht so schlimm ist. Kein Beinbruch, oder? Aber da genau hier möchte ich ansetzen. Es ist keineswegs normal. Für Sie vielleicht, sind Sie doch selbstständig. Aus welchen zwei Wörtern sich dieses Adjektiv zusammensetzt, wissen wir alle. Das aber gilt nicht für ihre Mitarbeiter/innen, oder teilen Sie etwa den Gewinn gerecht auf? Eine der größten Herausforderungen ist das Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben. Wenn wir ständig erreichbar sind, verschwimmt diese Grenze, so dass man auch während eines Familientreffens, Essen bei Freunden oder einem ruhigen Abend vor dem Fernseher befürchten muss, dass das Mobiltelefon gleich vibriert. Wo ist hier die Zeit zur Erholung und zur Regeneration? Sie denken sich vielleicht, dass das nur ein E-Mail ist, das man schnell lesen und beantworten kann, oder? Diese eine Nachricht, dieser eine Anruf aber erhöht den Stresslevel, weil es dadurch zu einer erhöhten Arbeitsbelastung kommen kann. Einige Mitarbeiter/innen fühlen sich dadurch vielleicht unter Druck gesetzt, weil andere Kolleg/innen auch ständig erreichbar sind. Das ist unheimlich belastend. Außerdem kann das auch dazu führen, dass man sich in der Arbeit dann weniger konzentrieren kann, weil man am Vorabend nicht richtig entspannen konnte. Das vermindert die Produktivität, was aber wiederum für Sie immensen Schaden anrichten könnte. Glauben Sie außerdem, dass die Familie dafür Verständnis hat, wenn man während des Essens aufspringt und „kurz“ telefoniert? Eher nicht. Viele Beziehungen gehen deswegen in die Brüche. Auch das schadet dann der Konzentration in der Arbeit. Zudem will man dann seine private Zeit überhaupt erst nicht mehr für Dinge, die einem Spaß bereiten, nutzen, weil man sowieso damit rechnen muss, unterbrochen zu werden?

Aber gibt es weitere Folgen, die daraus resultieren können? Ja. Zum einen habe ich den Stresslevel bereits detailliert ausgeführt. Zum anderen die sozialen Einschränkungen. Aber es gibt  noch weitere gesundheitliche Folgen. Wie wir alle wissen, ist schlechter Schlaf eine mögliche Folge von ständigem Stress. Obwohl der Körper erschöpft ist, will er einfach nicht schlafen. Das kann darüber hinaus andere Krankheiten zu Tage bringen. Wir alle wissen, wie wichtig gesunder Schlaf ist. Schläft man schlecht, wirkt sich das einerseits auf die Konzentration aus, aber auch auf das Gemüt. Man ist gereizt. Will man das als Arbeitgeber/in? Das Schlimmste wäre aber ein Burnout. Ein Burnout, hervorgerufen durch Stress, fehlender sozialer Kontakte, Schlafmangel. Ich denke nicht, dass weder meine Mitschüler/innen noch Sie das wollen, oder? Es besteht doch ein Fachkräftemangel, zudem machen Sie uns mit dieser Entwicklung eher weniger Vorfreude auf unser Berufsleben.

4.     Im Hauptteil redest du auf jeden Fall einmal die Zuhörenden öfter an. Du kannst sie auch mit einem „Wir“ ins Boot holen, dann ersparst du dir das häufige Anreden. Achte darauf, dass du dich kurz und prägnant ausdrückst. Lange, verschachtelte Sätze sind nicht unbedingt gut. Zu viele kurze Hauptsätze machen deine Rede allerdings langweilig, weil dadurch viele Parallelismen enthalten sind. Baue öfter Ellipsen, rhetorische Fragen, Hyperbeln, Metaphern, Vergleiche, aber vor allem auch Anaphern ein. Sie machen deine Rede wirkungsvoll. 

Geschätzte Arbeitgeber/innen, es liegt vor allem bei Ihnen. Kommen Sie Ihrer Fürsorgepflicht nach, denn geht es uns Arbeitnehmer/innen gut, geht es Ihrem Unternehmen gut. Liebe Mitschüler/innen, aber auch an euch soll ein Appell ergehen, bevor ich zum Ende komme: Lasst euch das nicht gefallen oder unter Druck setzen. Zu viel steht auf dem Spiel, zumindest eure Gesundheit. Herzlichen Dank für Ihre und eure Aufmerksamkeit.

5.     Am Ende sprichst du noch einmal die Zielgruppe(n) für deinen direkten Appell an. Um auf Nummer sicher zu gehen, rate ich dir, dass du das Verb „appellieren“ verwendest. Achte auf die Schreibweise. Begründe deinen Appell. Ganz am Ende entlässt du dein Publikum mit Herzlichen Dank für Ihre/eure Aufmerksamkeit.

 

 

Wortanzahl: 634 Wörter 

 

 

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Ausgangstext für die Meinungsrede
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