Beim Kommentar solltest du den grauen Kasten eher nicht ignorieren. Oftmals ist vorgegeben, für welches Medium, d.h., für welche Zielgruppe du schreibst. Sehr oft ist der Titel schon für dich formuliert. Übernimm ihn bitte, sonst könnte dir die/der Prüfer/in vorwerfen, du könnest nicht lesen.
Thema: Berufsleben
Verfassen Sie einen Kommentar.
Situation: Im fächerübergreifenden Unterricht haben Sie sich in diversen Gegenständen mit dem Thema „Arbeitsrecht“ befasst. In einer Erörterung sollen Sie nun Ihre erlernten Kompetenzen unter Beweis stellen.
Lesen Sie zunächst den Bericht „Brauchen wir ein Recht, nicht erreichbar zu sein“ von Johannes Lau, der am 24. Februar 2025 in der Onlineausgabe der Tageszeitung „Der Standard“ erschienen ist.
Schreiben Sie nun einen Kommentar und bearbeiten Sie folgende Arbeitsaufträge:
Ø Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen Frankreichs und Österreichs Ruhegesetzen.
Ø Diskutieren Sie ständige Erreichbarkeit im Berufsleben.
Ø Beurteilen Sie die mögliche Haltung von Arbeitgeber/innen, anzunehmen, ihre Mitarbeiter müssten ständig erreichbar sein, und ihre Folgen.
Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. Markieren Sie Absätze mittels Leerzeilen.
Wie gehst du nun am besten vor?
Freizeit – völlig überbewertet?!
ein Kommentar von Nino Neuwirth
1. Der Titel, wie du siehst, kann hier provokanter als bei der Erörterung sein. Darunter schreibst du ein Kommentar von deinen Vornamen und deinen Nachnamen.
Das schlägt doch dem Fass den Boden aus! Es reicht! Arbeitgeber/innen denken ernsthaft, ihre Mitarbeiter/innen hätten nichts Besseres zu tun, als in ihrer Freizeit ständig Telefonanrufe oder E-Mails aus dem Unternehmen zu beantworten. In dem Bericht „Brauchen wir ein Recht, nicht erreichbar zu sein“ geht es um die ständige Erreichbarkeit. Es wird auch auf die gesetzliche Lage Frankreichs und Österreichs eingegangen und die Folgen aufgezeigt, die sich daraus ergeben, immer erreichbar sein zu müssen. Geht’s noch?
2. Am besten beginnst du deinen Kommentar, wenn du nicht der Meinung des Artikels bist, mit einem Sprichwort wie Das schlägt dem Fass den Boden aus! / Jetzt schlägt’s aber dreizehn!... und führst mit einer Behauptung, einer Situation, einem Beispiel wie bei der Erörterung zum Thema hin. Diese Hinführung darf aber gefärbt sein, d.h., eine Hyperbel beinhalten. Danach folgt nicht KADATZ, es reichen KAT (= Kernaussage, Art des Artikels, „Titel“). Allerdings ist das auch den Kolleg/innen abhängig. Manche verlangen tatsächlich alle Angaben, obwohl diese in einem Kommentar nicht anzuführen sind.
Viele schimpfen zwar häufig über Französ/innen, aber zumindest beim Arbeitsrecht sind den Österreicher/innen überlegen. Schon vor fast zehn Jahren ist dort ein Gesetz erlassen worden, das den Unternehmen Maßnahmen vorschreibt, die ihren Arbeitnehmer/innen ermöglichen, nicht erreichbar sein zu müssen. Auch in Australien. Wo nicht? Nicht in Österreich. Hier gilt natürlich nur ein Ruhegesetz. Arbeitnehmer/innen brauchen nachts elf Stunden Ruhe und während des Wochenendes 36 Stunden. E-Mails dürfen ausgeschickt werden, wahrscheinlich ist das für Politiker/innen weniger elementar, weil sie ohnehin ihre Sekretär/innen haben. Unfassbar!
3. Wenn du den Operator „Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen Frankreichs und Österreichs Ruhegesetzen“ mit dem der Erörterung vergleichst, wirst du sofort erkennen, dass im Kommentar mehr erlaubt ist. Du darfst sogar die Wiedergabe färben, indem du eine Hyperbel einbaust, Sprichwörter oder etwas bzw. jemanden, hier Politiker/innen, ins Lächerliche ziehst.
Aber was spricht gegen dieses Drama, jederzeit auf E-Mails und Anrufe antworten zu müssen, auch wenn man im Urlaub oder Fitnessstudio ist? Vieles. Eine der größten Herausforderungen ist das Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben. Wenn jemand ständig erreichbar ist, verschwimmt die Grenze, so dass man auch in der Freizeit ständig an die Arbeit denken muss. Egal, oder? Dies erhöht aber wiederum den Stresslevel, weil es zu einer erhöhten Arbeitsbelastung kommen kann. Mitarbeiter/innen fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt. Das ist belastend. Außerdem kann dies auch dazu führen, dass sich die Produktivität vermindert, weswegen sich wiederum die Konzentration während der Arbeit verschlechtert. Des Weiteren kann es dazu führen, dass die persönliche Zeit mit Freund/innen und Familie oder für Hobbys reduziert wird. Dies kann nicht nur das eigene Leben maßgeblich beeinflussen, sondern auch die Beziehung zu anderen. Abgesehen von den sozialen Einschränkungen kann dies auch zu einer verminderten Regeneration führen, denn der Körper braucht pausen. Bekommt er sie nicht, kann das zu gesundheitlichen Problemen wie Schlafstörungen führen, in einem überbordenden Maß aber auch in einem Burnout gipfeln. Das will man doch, oder?
4. Die Argumente, die gegen das Erreichbarsein sprechen, sind natürlich ähnlich denen der Erörterung. Aber vielleicht merkst du, dass die einleitende rhetorische Frage provokant ist. Auch ein paar Ellipsen sind eingearbeitet. Dennoch sind die Argumente sachlich und richtig, demnach auch nachvollziehbar. Darauf musst du bei aller Polemik achten.
Natürlich ist es verständlich, wenn Unternehmer/innen in diversen Zweigen verlangen, dass Mitarbeiter/innen rund um die Uhr erreichbar sein sollen. Das gilt vor allem für Branchen wie der Softwareentwicklung, bei Finanzmärkten oder der E-Commerce-Branche sowie bei Start-ups, damit auftretende Probleme umgehend gelöst werden können. Natürlich ist es verständlich, dass dadurch auch die Arbeit des Teams besser koordiniert werden kann, um etwaige Probleme aus dem Weg zu schaffen. Natürlich ist es verständlich, wenn es engagierte Mitarbeiter/innen gibt, die alles tun würden, um ihren Geltungsdrang zu steigern. Aber wozu? Die Gefahren, die dabei auf Mitarbeiter/innen lauern, sind viel zu groß. Das ist es nicht wert! Arbeitgeber/innen haben nicht das Recht, einzufordern, dass ihre Arbeiter/innen und Angestellten ständig auf der Hut sein müssen, dass sie kontaktiert werden. Viel zu groß ist die Gefahr, sich selbst zu verlieren. Viel zu groß ist die Gefahr, daran ernsthaft zu erkranken. Viel zu groß ist die Gefahr, dass jemand ins Burnout rutscht. Mit welcher weiteren Gefahr? – Ja, dass auch andere Mitarbeiter/innen vor die Hunde gehen, weil sie dann die Arbeit der Kranken auch noch erledigen müssen, denn Ersatz wird es keinen geben. Auch die Chefetage muss langsam einsehen, dass Superman und Wonderwoman nur in Comics und nicht in der Realität existieren. Viel zu groß ist die Gefahr der Ausbeutung!
5. Hier kannst du z.B. Proargumente anführen. Aber zu welchem Zweck? – Damit du sie widerlegen kannst. In einem Kommentar darfst du fortwährend sarkastisch und ironisch sein. Lasse deinen Gefühlen freien Lauf.
Daher wäre es wichtig, dass Arbeitgeber/innen nun endlich erkennen, dass es für die physische, aber auch psychische Gesundheit ihrer Arbeitnehmer/innen von hoher Bedeutung ist, auch auszuspannen und abzuschalten. Aber wer braucht in Zeiten des Arbeitskräftemangels schon fitte und frische Mitarbeiter/innen, wenn man sie auch durch extreme Arbeitsbelastung zerstören kann. Im Grunde zählt doch nur der Profit!
6. Auch hier ist der Appell indirekt, also ähnlich einer Erörterung. Allerdings siehst du, dass hier noch eine ironische rhetorische Frage angehängt ist. Damit willst du erreichen, dass deine Leser/innen darüber nachdenken und dir – zumindest im Geiste – zustimmen.
Wortanzahl 607 Wörter